Ein langer Tag, und viel erlebt habe ich zusammen mit allen meinen Supporterinnen (und einem kleinen Supporter) am Swissman 2016. Doch wie kam es eigentlich dazu, und wie hat sich das angefühlt.

 

Nun das Ganze begann bereits vor einigen Jahren, als ich überhaupt zum Triathlon kam. Bereits an meinem ersten Wettkampf, bei dem die Schwimmdistanz halbiert wurde, hörte ich von grossen Triathlons im Berner Oberland. Damals war die Rede vom Inferno, und ich wusste, dass mich solche Unterfangen anziehen.

Zwei Jahre später war ich für den Ironman Frankfurt angemeldet. Die diesjährige Austragung ist zur Zeit des Schreibens gerade im Gange. Ein Jahr danach hatte ich immernoch ein schlechtes Gewissen gegenüber der perfekten Organisation dieses herrlichen Wettkampfs, da ich diesen leider nicht beendete konnte. Abbruch bei Kilometer 22 der Laufstrecke. Doch dieses Jahr habe ich ihn sicherlich abgegolten. Die 20km die ich noch hätte laufen müssen habe ich nun mehrfach nachgeholt und ich bin auch stärker geworden, um solch eine Schmach auch mal zu ertragen.

Damals in Frankfurt wurde mir bewusst, dass laufen meine schwächste Disziplin ist, und mir war klar, dass ich am Swissman nicht wieder in dasselbe Loch fallen wollte wie bereits am Ironman. Also setzte ich alles daran, stellte einen sehr offenen Trainingsplan mit dreiwöchigen Zyklen zusammen und begann zu joggen. Aller Anfang ist schwer. Erst kam der Säntis am letzten warmen Tag des 2015 bei dem ich leider die falsche Abzweigung genommen hatte, doch nach und nach, mit für mich noch nie dagewesener Konstanz, wurde ich schneller, stärker und sicherer. Den Üetliberg in einem Tag drei mal hoch und runter rennen wurde zum Vergnügen, meine Beine trampelten mehr auf dem Velo und auch im Muscle Pump drückte ich beinahe das doppelte  an Gewichten als bis anhin. Mir war aber immer bewusst, dass ich diesen Durchhaltewillen nur erreichen konnte durch die vorhergehenden Jahre und das Wissen, das ich mitunter auch durch die Trainingspläne von Martin Kasten mitbekommen hatte.

Dann kam die Halbdistanz in Mallorca, und ich wusste, dass ich hier einfach ein Ziel verfolgte: meinen schnellsten Halbmarathon. Es war saukalt, verregnet und echt einfach eklig für die Zuschauer und für uns im Rennen, doch beim Laufen war einfach nur Spass angesagt. Wieder konnte ich meine Konstanz halten eineinhalb Runden auf meinem vorherigen besten Pace, und zum Abschluss konnte ich nochmals richtig aufdrehen. Es war ein super Rennen für mich. Doch dann kam der Payoff. Ich holte mir einen Muskelfaserriss – Noch sieben Wochen und ein Muskelfaserriss – Was sollte ich nur machen. Nervös wurde ich schon, und auch bei den kurzen Testläufen etwas gar frustriert. Aber mit der Hilfe von Moni und all meinen Supportern den Zusprüchen und der Unterstützung wurde mir bewusst, dass es trotzdem machbar wäre.

Das Wetter wurde besser, die Temparaturen wärmer, meinem Bein gings von Tag zu Tag besser, meine Form auf dem Velo war so hoch wie nie und die Vorfreude auf den Swissman stieg an. In der letzten Woche vor dem grossen Tag gab es dann noch etwas intensivere Intervalle. Mit dem Mountainbike auf den Uetliberg war das eine, das andere im Wasser. Zum Abschluss machte ich noch einen Lauf ins Geschäft. Das erste mal seit 4 Wochen. Alles lief super, doch dann kam der Muskelkater. Und nicht einfach so ein wenig drücken, nene, es war so einer der richtig tief sitzt und einfach nicht mehr weg will, wie jene die man hatte als man nur mal sporadisch laufen ging, und es übertrieben hat.

So zogen wir am Freitag nach Ascona, super Wetter, viel Wasser trinken und alles war gut. Einschwimmen bei 19 Grad ohne Neo, herrlich! Die Vorfreude kommt auf. Zum Znacht gabs ein feines Tatar mit einem Weissbier. Das erste seit Wochen. Herrlich, ich bin bereit.

Früh gehts ins Bettchen. Um viertel vor drei klingelt der Wecker und ab gehts. Kurz packen, Brot mit Honig essen, Kaffee trinken und ab in die Wechselzone. Es Schifft, aber das macht nichts, denn wir gehen zum Schiff, das heisst in meinem Kopf ganz klar: Das Schwimmen findet statt. Ich trinke wie immer flaschenweise Wasser, aber mit zwei Toiletten auf dem Schiff könnts noch kompliziert werden. Kleines Interview am Eingang gegeben und ich bin ready für die Überfahrt auf Isla di Brissago. Doch, es ist viertel nach, das Boot bleibt stehen, und der Himmel glüht. Immer wieder aufblitzend wird uns klar, dass uns das Wetter einen Strich durch das Schwimmen ziehen wird. Es wird gewartet, doch leider verbessert sich die Situation nicht. Und es beginnt so richtig zu grollen und zu regnen. Herrlich… um daheim vor dem Kamin zu kuscheln… Für einen Swissman ganz bestimmt nicht der ideale Auftakt. Eine riesen Enttäuschung macht sich in mir breit, mein erster Inferno wiederholt sich, und das total unerwartet. Doch zum Glück ist Petra da, und treibt mir diese Gedanken gleich aus. Selbst versuche ich mich in dem Moment natürlich auch zu beruhigen, mein Zentrum zu finden. Dazu genoss ich die Sicht auf den Schwimmausstieg mit dem Blick auf die Brisago Inseln die unter einem Blitzgewitter zusammenbrechen. Der Regen drückt, und der Laufstart kommt näher. Der Duathlon kann beginnen. Ich folge also den anderen Athleten die scheinbar wissen wo der Lauf beginnt. Kaum bin ich da, klingeln schon die Glocken… Scheint der Start zu sein, die Masse läuft nur halb gestört los, die wissen also was noch auf sie wartet. Ich halte einen Konstanten 5:30 Schnitt, keine Hast. Vier Kilometer sind schnell vorbei, und die Wechselzone kommt. Velotrikot an, Velojacke gedreht und los gehts auf die längste und härteste Reise meines bisherigen Lebens.

In der Fläche läuft alles hervorragend schöner 160er Puls und ich fliege nun gerade so an den schnelleren Läufern vorbei. Vor Biasca sehe ich die ersten Radfahrer umdrehen, verunsichert durch eine leichte Streckenanpassung – ich donnere weiter. Ein Genuss. Nun gehts ans Eingemachte, der Gotthard Pass. Die Anfahrt ist schon mal kein Problem, alles schön. Das einzige was stört sind die Supporter, die alle 2 Kilometer immer wieder auf ihre Athleten warten. Ich war somit voller Stolz erfüllt, dass Petra und Fabienne immer nur an den vorgegebenen Parkplätzen hielten.

So kam der Pass näher. Und ich fühlte mich super frisch. Doch vor mir hatte sich eine Blechlawine aus Supportern gebildet und ich musste unverhofft meine ersten Serpentinen ziehen. Am letzten Treffpunkt vor der Tremola bekam ich nochmals einen Flüssigkeits Refill und hoch zum Angriff. Natürlich kamen grad mal die Tagestouristen mit 20kmh vorbei gedonnert. Locker flockig gings voran, doch das Kopfsteinplaster raubt einem beinahe den Verstand. Auf halber Höhe überholte mich mit einem riesen Smile eine Skandinavierin, welche die Gewinnerin werden sollte. Die Stimmung ist einfach super. Alle lachen, alle geniessen das leichte Tröpfeln und freuen sich ihre Supporter auf der Passhöhe zu treffen. So auch ich. Mit feinster Bouillon mit Nudeln, Schinkenwürfeli und Rüebli werde ich verköstigt. Sterne Küche, ganz grosses Kino. Mit frisch umgedrehter Regenjacke gehts den Berg runter. Die Abfahrt ist kalt und harzig, ich nehm mir vor, das nächste mal was rechtes anzuziehen. In der Ebene gibts dann wieder Geschnetzeltes und am Furka führte ich mir gleich zwei Bananen zu Leibe. Die Serpentinen fuhr ich wie auf Schienen, ich kenne den Pass ja gut so dachte ich. Danach folgt die gerade zum Pass mit einer letzten Doppelkurve, darüber erleuchtet ein blauer Fleck am Himmel, der mir das Wetter vorhersagt. Sieht kurz aus, ich verschätze mich so um 20 Minuten. Gut 45 minuten später und komplett übernommen löffle ich dann oben die nächsten Nudeln in mich rein. Wieder Menü 3. Petra stülpt mir die Schuhüberzüge über und Fabienne dreht meine Jacke rechts rum. Nun hab ich super warm, mir ist schlecht von den Schinkenwürfeli und ich bin bereit die Bremsen glühen zu lassen. Unten angekommen verlier ich noch ein letztes mal meine Kleider und steige in die sechs letzten Kurven des Grimsel. Die Leute, die direkt hinter mir fahren kenne ich langsam. Der eine Pendler, der mich am Pass immer verschnetzelt, sich aber scheinbar Zeit zum umziehen nimmt, seh ich auch schon zum gefühlten elften Mal. Der Furka säuert noch nach in meinen Beinen. Aber egal. Meinen Puls halten, so fahren, dass es angenehm ist, nicht weiter übersäuern. Und schwupps ich bin oben.

Die letzte Abfahrt hats nochmal so richtig in sich. Licht am Rad ist ready, und nur noch die Aussicht geniessen. Herrlich!! Ein letztes mal seh ich meine Supporter noch und ich kann nochmals meine Jacke loswerden, denn das Wetter ist mild. Auf dem letzten flachen Stück in Richtung Brienz, diesmal begleitet vom Pendler, erahnen wir die Wetterfront die sich nähert. Wir beide sind aber guten Mutes und Happy einen solchen Tag erleben zu dürfen. Die Wechselzone kommt. Moni, Arthur und Ilona stehen an der Seite meiner bisherigen Supporter und helfen mit all das Material, welches ich brauche aus dem Auto an den Wechselplatz zu bringen. Ein mittleres Chaos bricht aus, sowie das angesagte Gewitter über uns. In diesem Moment freut mich das, und der Lauf kann beginnen.

42.2km auf denen noch nichts klar war. Meine Wade spürte ich ja bereits auf dem Gotthard und die Belastung war doch grösser als angenommen.

So rannte ich los schön flach, für die ersten 100 Meter und nun schon gings das erste Mal bergauf. An rennen war gar nicht zu denken, und die ersten Läufer die mich überholen wollten liefen neben mir gleich mit. Schnell war der Eingang zu den Giessbachfällen erreicht und es ging leicht bergab. Ein langsamer Trab verriet mir aber, dass dieses Abwärtsgehen von meiner Wade nicht geduldet wurde. Unter dem Wasserfall durch, fast alleine wurde es wieder flacher und ich konnte gut laufen und einen schönen 6er Pace aufrecht halten. Die Batterie meiner Uhr schien auch zu halten. Ein nicht ganz vernachlässigbarer Fakt für solch einen langen Wettkampf. Auf und ab und gerade aus, bald war ich in der ersten Verpflegungszone – Iseltwald. Moni und Arthur warteten und ich war überglücklich gut ein sechstel der Strecke hinter mich gebracht zu haben.

So gings nun weiter und mit jedem Athleten hatte ich eine kurze Unterhaltung, von der nur eine wirklich mühsam war, aber man kann ja immer ein wenig langsamer gehen, um diese Störenfriede aus dem Sichtfeld zu verlieren. In Interlaken vermisste ich meine Supporter, doch dann kamen sie grad noch im letzten Moment durch über die Brücke gestürmt um mir meinen Kokos Cocktail nachzufüllen. Auf die Mädels ist einfach Verlass!

Wie eine alte Bekannte begleitete mich ein Teilstück des Jungfrau Marathons bergwärts, bis zur Abzweigung auf Grindelwald in Lütschinen. Von hier an begleitete mich Fabienne. Eine willkommene Weggefährtin. Ihre Sorgen, dass sie mir nicht nachkommen möge verflogen relativ schnell.Aber wir gingen konstant und konnten bereits die ersten Läufer wieder einholen. Der grüne Wald und die wurzeligen Wege waren eine willkommene Abwechslung nach doch einigen Kilometern auf der Beton und Strasse. Der Eiger kam ins Sichtfeld und somit auch Grindelwald, der letzte Stopp nahte. Und als kleine Überraschung war Thierry mit der gesamten Familie angereist. Hier nahm ich mir Zeit meine Socken zu wechseln… oder nein stimmt, ich hatte nur ein paar dabei, also gab es das gar nicht… Ich wurde aber sonst mit neuer Kleidung versorgt, sowie mit einem neuem Laufrucksack, gepackt für die Nacht.

So schritten Petra und ich los, ein Fuss nach dem anderen, Treppensteigen ist ein Scherz dagegen. Am Anfang machten wir guten Fortschritt und konnten einige Athleten überholen. Doch nach etwa 500m holte mich die Realität ein und der Brunnen, an welchem ich im Vorjahr am Inferno auf dem Mountainbike eingeknickt war, wurde wieder zu meinem Verpflegungsposten. Der Schwindel den ich spürte verebbte bereits nach einigen Minuten. Petra und ich genossen noch ein wenig die Aussicht bevor wir uns weiter auf den Weg “to the top” machten.

Ein feiner Nebel zog auf und die Stimmung mit dem Glockengeläut der Kühe stellte mir die Haare sogar unter der Merinowolle noch auf. Zwei Franzosen am Handy machten die Stimmung jedoch interessanterweise etwas zunichte, da die Supporterin es wichtig fand am Handy zu streiten. Das war echt geil. Die Verpflegungsposten füllten uns nochmals mit den letzten Shots ab und das Ziel kam näher. Lange hatte ich nicht mehr daran geglaubt, dass ich hier ankommen könnte, doch ich war nun da und Moni, Arthur und Fabienne begleiteten uns noch zusammen die letzten Meter durchs Ziel. Ich sagte nur noch: nächstes Jahr Gigathlon, zog mich um und wir fuhren schon runter. Hier oben war es einfach zu kalt.

Das schöne an solchen Wettkämpfen ist nicht das Ziel, sondern der Weg dahin. Deine Freunde erwarten dich, die Organisatoren lesen deinen Namen ab einer Liste ab aber es braucht keine 500 Zuschauer um den Tag zu komplettieren. Nur das Zusammensein mit seinen Geliebten und Freunden.

Epilog:

Im Tal unten stellten wir fest, dass schon alle Restaurants zu waren. Wieso genau sind wir nicht oben Essen gegangen..? Aber wie immer: auf meine Supporter war verlass, sie fanden Pizza, welche wir nach einem wohlverdienten Bier in der Badewanne zivilisiert am Tisch verspiesen.

 

Danke für einen unvergesslichen Tag, an all jene die diesen ermöglicht haben.